Ragnarök – die ‚Götterdämmerung‘ in der nordischen Mythologie

germanische Götterdämmerung
Ragnarök – Bild: drumdredd777 / Shutterstock.com

In der nordischen Mythologie stellt Ragnarök den Weltuntergang dar.

Dabei beschreibt die Sage das Ende der Götter.

Ragnarök, die Götterdämmerung

Übersetzt aus dem Altnordischen bedeutet Ragnarök „Götterdämmerung“.

Erstmals Verwendung fand diese Bezeichnung durch den österreichischen Priester, Schriftsteller und Übersetzer Michael Denis (1729-1800).

Größere Bekanntheit erlangte der Begriff der Götterdämmerung durch die gleichnamige Oper des Komponisten Richard Wagner (1813-1883), der damit die Nibelungen-Sage abschloss.

Auslöser für die Übersetzung „Götterdämmerung“ war eine Fehlinterpretation des isländischen Dichters Snorri Sturluson (1179-1241).

So schrieb Sturloson von „ragna rökr“ (Götterdämmerung), während in der älteren Lieder-Edda von „ragnarök“ (Schicksal der Götter) die Rede ist.

Es ist mit Ragnarök also eigentlich das Schicksal der Götter gemeint.

Ragnarök beschreibt den Untergang der alten Welt und ihrer Götter und geht über in das Entstehen einer neuen, besseren Welt. So folgt auf die Apokalypse eine neue Weltordnung mit neuem Leben.

Einleitung durch die eschatologischen Ereignisse

Ragnarök wird durch vier eschatologische Ereignisse angekündigt, die sich nicht nur durch die Konflikte zwischen den Göttern, Riesen, Menschen und Monstern bemerkbar machen, sondern auch durch die Elemente der Natur.

Nacheinander treten der Fimbulwinter, der Weltenbrand sowie das Versinken der Erde auf. Schließlich verdunkelt sich auch noch die Sonne.

Fimbulwinter

Am Anfang von Ragnarök setzt der Fimbulwinter ein.

Gemeint ist damit eine öde Eiszeit, die drei strenge Winter mit eisigem Frost bringt.

Immer wieder kommt es zu Stürmen und heftigen Schneefällen.

Es findet keine gewohnte Unterbrechung durch Frühling und Sommer statt.

So ist der Fimbulwinter das erste Anzeichen für den Untergang.

Der Weltenbrand

Der Riese Surt (der Schwarze), ein erbitterter Feind der Asen, löst ein Ereignis aus, das zu den schlimmsten von Ragnarök gehört: den Weltenbrand.

Als Flammenriese beherrscht Surt die Kraft des Feuers und vernichtet mit seinem Schwert Surtalogi beinahe sämtliches Leben.

Die Erde versinkt

Als drittes eschatologisches Ereignis gilt das Versinken der Erde, die vom Ozean und seinen stürmischen Wellen verschlungen wird.

Die riesige Midgardschlange geht dabei an Land und richtet dort erhebliche Zerstörungen an.

Der Rest wird von Wassermassen überflutet.

Die Sonne verdunkelt sich

Ein weiteres eschatologisches Ereignis bildet das Verdunkeln der Sonne.

Gewaltige Erdbeben erschüttern das Land, die Bäume werden entwurzelt und es kommt zu Lawinen von einstürzenden Felsen.

Dem Fenriswolf, der zu den gefährlichsten Gegnern der Götter gehört, gelingt es, sich zu befreien.

Von ihm wird die Sonne verschlungen, was die Welt in Dunkelheit taucht.

Beginn von Ragnarök

Erschüttert worden war das Gleichgewicht der Welt durch den tragischen Tod von Odins Sohn Balder, den durch eine Intrige Lokis bei einem Spiel ein Pfeil mitten ins Herz ging.

Dazu hatte Loki Balders arglosen blinden Bruder Hödur benutzt.

Odin ließ Hödur daraufhin durch seinen anderen Sohn Vali töten.

Balder musste in das Totenreich Hels einziehen.

Bei den Göttern herrschte tiefe Trauer über das unerwartete Ende Balders.

Es gab aber auch finstere Mächte, denen der Tod des gütigen Balders Freude entlockte.

Dazu gehörten die Riesen, die Zwerge und die grässlichen Ungeheuer, denn durch dieses Ereignis gewannen sie an Macht.

Das Verwelken von Yggdrasil

Ein weiteres finsteres Omen warf seinen Schatten auf die kommenden dramatischen Ereignisse voraus.

Die Blätter des Weltenbaums Yggdrasil begannen zu verwelken.

Zur gleichen Zeit wurden die Asen älter.

Grund dafür war das Verschwinden der Göttin Iduna.

Dadurch konnte sie Yggdrasil nicht mehr den wundersamen Met mit seiner lebensspendenden Wirkung zuführen.

Verheiratet war Iduna, deren Name „Immergrün“ bedeutete, mit dem Skalden Bragi, einem weiteren Sohn von Göttervater Odin.

Bragi galt als weiser Dichter und verzauberte mit seinem Harfenspiel und wohltönenden Gesang die Götter immer wieder aufs Neue.

Auch seine Gemahlin Iduna war überaus beliebt, weil sie Yggdrasil mit ihrem Wundermet versorgte und dadurch ewige Jugend bewirkte.

Als Odin von Idunas Verschwinden hörte, war er zutiefst entsetzt.

Um sie zu finden, schickte er seine Raben aus.

Es dauerte einige Zeit, bis sie wieder zurückkehrten und erschreckende Nachrichten brachten.

So befand sich Iduna im Reich der Totengöttin Hel.

Auch ihr Mann Bragi war ihr dorthin gefolgt.

Von Hels Reich aus gab es keine Wiederkehr.

Und weitere schlimme Neuigkeiten verkündeten die Raben ihrem Herren: Die Lebensenergie der Wesen auf der Welt schwand.

Außerdem verlor Mimirs heiliger Brunnen an Weisheit.

Odin wurde nun klar, dass nach dem Verschwinden von Iduna sowie dem Tod von Balder eine Wende zum Finsteren eingetreten war.

Ein anderes Unheil kündigte sich ebenfalls an. So heulte Lokis Abkömmling, der Fenriswolf, jede Nacht aus der Unterwelt auf und wartete darauf, endlich die Freiheit zu erlangen, um Tod und Verderben zu säen.

Die Götterdämmerung wirft ihren Schatten voraus

Der Tod Balders hatte zur Folge, dass sich der Glanz der Sonne trübte.

Infolgedessen hielt der eisige Fimbulwinter Einzug, der kein Ende nehmen wollte.

Diese Zeit wirkte sich schlecht auf die Gemüter von Göttern und Menschen aus.

Die Menschen fielen aus Mordlust, Gier und Gottlosigkeit übereinander her und führten Kriege gegeneinander.

Positive Gefühle wie Freundschaft, Mitgefühl und Liebe verschwanden aus Midgard. Dagegen schienen die ruchlosen Seelen zu dominieren.

In Asgard mussten die Götter den Niedergang der alten Ordnung hilflos mitansehen.

Obwohl Thor seinen Hammer Mjöllnir gegen die Riesen warf, erreichte er damit nichts. Die Eiswände, die sich durch den Fimbulwinter gebildet hatten, schützten sie.

Auch beim weisen Brunnen Mimir fand Odin keinen Rat mehr.

Odin ruft zum Kampf

Als Odin nach Walhall zurückkehrte, rief er sämtliche Götter und Heroen zum Kampf auf, weil er das drohende Unheil kommen sah.

Zu allem Überfluss stieg die Midgardschlange aus den Tiefen des Meeres empor.

Der Grenzwall, der Midgard bislang immer geschützt hatte, wurde von der furchterregenden Schlange durchbrochen.

Den Menschen blieb nichts anderes übrig, als ins Gebirge zu flüchten.

Dann gelang es schließlich auch dem Fenriswolf, sich zu befreien und die Welt wurde von gewaltigen Beben erschüttert.

Loki greift ein

Weil Loki die Schuld an Balders Tod trug, hatten die Asen auf ihn Jagd gemacht und ihn bis auf einen Berg verfolgt.

Als Thor seiner endlich habhaft wurde, schmiedeten ihn die Götter an drei Felsen.

Über seinem Haupt brachte die Göttin Skadi eine Schlange an, deren Gift unaufhörlich auf Loki tropfte, der dadurch schreckliche Schmerzen erdulden musste.

Als Ragnarök begann, konnte sich Loki jedoch befreien und mit den Feinden der Götter verbünden.

Sein Ziel war die völlige Vernichtung von Asgard. So entstand ein schauriger Pakt aus Riesen wie den Frost- und Eisriesen, den Feuerriesen, den Kreaturen von Lokis Tochter Hel, der Midgardschlange und dem Fenriswolf.

Die Feinde der Götter nutzten das Totenschiff Naglfar für ihren Transport.

Es setzte sich aus den ungeschnittenen Nägeln von Leichen zusammen.

Mithilfe dieses unheimlichen Schiffes durchquerten die Feinde Asgards die Regenbogenbrücke Bifröst, die eine Verbindung zwischen Himmel und Erde herstellte.

Die Steuerung des Schiffes übernahm der Verräter Loki, der auf finstere Rache sann.

Als der Fenriswolf mit seinem riesigen Rachen Sonne und Mond verschlang, bedeckte Finsternis die Erde.

Dies war das Zeichen dafür, dass Ragnarök, die letzte Schlacht, kurz bevorstand.

Die letzte Schlacht beginnt

Während Naglfar auf seinem Weg nach Asgard nichts als Tod und Zerstörung hinterließ, machte sich von Jötunheim aus ein zweites Schiff der Riesen auf den Weg, dessen Steuerung durch Hrymr geschah.

Der Kurs lag auf dem Feld Wigrid, das auch das Ziel von Naglfar war.

Surt, der Herrscher über Muspellsheim, und seine Feuerriesen griffen Asgard an und zerstörten die Bifröstbrücke, wodurch die Verbindung zwischen Asgard und Midgard abgeschnitten war.

Aus den Wurzeln von Yggdrasil kroch der Drache Nidhögg hervor und tötete mit seinen Schwingen viele Menschen. Die Hähne krähten und das Ende war nahe.

Als sich die Mächte der Finsternis versammelten, rief Heimdall mit dem Gjallarhorn die Götter ein letztes Mal zum Kampf.

Auf dem Feld Wigrid sollte die blutige Entscheidung fallen.

Odin nahm seinen Speer Gungnir, setzte sich seinen goldenen Helm auf und bildete die Spitze seines Heeres.

Die Schlacht von Wigrid

Voller Tapferkeit stürzten sich Odin und Thor auf ihre Erzfeinde, die Riesen.

Doch der Feind besaß mit dem Fenriswolf eine mächtige Waffe, die immun gegen die Speere und Schwerter der Götter zu sein schien.

Surt tötete derweil den Vanengott Freyr, der zuvor den Riesen Beli mit einem Hirschgeweih erschlagen hatte.

Gegen den mächtigen Surt konnte Freyr jedoch nicht bestehen und wurde von ihm erschlagen.

Tyr, der Gott des Kampfes, wurde wiederum von dem Hund Garm, dem Wächter von Hels Totenreich, attackiert.

Weil Tyr seine rechte Hand einst an den Fenriswolf verloren hatte, konnte er nur mit der linken Hand kämpfen.

Am Ende starben beide Kontrahenten.

Immer wieder trafen während der Schlacht einzelne Kämpferpaare aufeinander. So bekämpften sich unter anderem Loki und Heimdall, die sich schon immer hassten, solange erbittert, bis sie beide den Tod fanden.

Die Asen und Vanen verteidigten sich voller Heldenmut gegen die finsteren Streitkräfte Hels und die Eisriesen. Wigrid wurde erfüllt von wildem Geschrei, Hass und Abscheu.

Thor und die Midgardschlange

Einen erbarmungslosen Kampf führte Thor gegen die gefährliche Midgardschlange.

Schließlich gelang es dem Recken, das Ungeheuer mithilfe von Mjöllnir zu bezwingen, indem er ihm den Schädel einschlug.

Dabei fand der Donnergott jedoch ebenfalls sein Ende, weil ihn der Gifthauch der Schlange traf.

Odins und Asgards Ende

Auch Göttervater Odin fand den Tod, als er gegen den Fenriswolf kämpfte.

Immer wieder stürzte sich die Bestie auf den Göttervater, bis sie ihn schließlich verschlungen hatte.

Es dauerte jedoch nicht lange, bis Odins Sohn Vidar den Tod seines Vaters rächte. Dabei riss er das Maul des Höllengeschöpfes soweit auf, das es in zwei Teile zerbrach.

Indessen schwang Surt sein Feuerschwert und setzte sämtliche neun Welten in Brand. Sein Feuer fraß sich bis in Hels Unterwelt.

Derweil tobte die Schlacht auf Wigrid weiter, bis sämtliche Menschen, Walküren, Einherjar, Zwerge, Riesen, Alben und Götter ihr Ende fanden.

Als Surt auch nach Asgard vordrang, steckte er das Reich der Asen in Brand und auch Midgard wurde nicht verschont.

Am Ende loderte das Feuer über die ganze Welt.

Die alte Ordnung war zusammengebrochen und der Untergang gekommen.

Die Sonne verfinsterte sich und die Sterne fielen vom Himmel.

Schließlich brach auch der Weltenbaum Yggdrasil in sich zusammen und die Welt versank im Meer.

Eine neue Welt entsteht

Und doch brachte dieses furchtbare Geschehen von Ragnarök nicht das endgültige Ende der Welt mit sich.

So fand durch das reinigende Feuer eine Läuterung statt, die ein neues goldenes Zeitalter ermöglichte.

Die alte Welt mit all ihrem Glanz, aber auch ihren zahlreichen Fehlern war verloschen.

An ihre Stelle trat eine neue Welt mit grünen Landschaften, die sich in idyllischer Friedfertigkeit präsentierte.

Die Überlebenden sammeln sich

Auf dem Idafeld versammelten sich einige Asen, die Ragnarök überlebt hatten.

Auch der verstorbene Balder kehrte aus dem Reich der Toten zurück und versöhnte sich mit seinem blinden Bruder Hödur, der ihn unabsichtlich durch Lokis Intrige getötet hatte.

Balder sollte der Anführer der neuen Welt werden.

Auch ein Paar aus Menschen hatte den Untergang überstanden. Es hieß Lift und Lifthrasir. Sie sollten ein neues Menschengeschlecht begründen. Über die neue Welt schien die Sonne, die eine Tochter geboren hatte.

Zu den Überlebenden Ragnaröks zählten außerdem Odins Söhne Vidar und Vali sowie Thors Abkömmlinge Magni und Modi. Mit dem Mjöllnir traten sie das Erbe ihres Vaters an. Im Gras fanden sie die goldenen Tafeln und erinnerten sich an die früheren Geschehnisse.

Die Nachkommen Odins zogen in eine schöne Halle mit einem Dach aus Gold ein.

Da sich Ordnung und Chaos wieder in ihrer Balance befanden, konnte auch Odin als Allvater Fimbultyr wiedergeboren werden und eine neue Welt erschaffen.

Sogar von den finsteren Mächten hatte mit dem Totendrachen Nidhöggr ein einziger überlebt. Daher überdauerte auch das Böse die Welt und kehrte immer wieder zurück.

Die Lehren aus Ragnarök

Am Ende hatte Ragnarök dazu geführt, dass sämtliche Sünden und Fehler beglichen wurden.

Trotz der beinahe umfassenden Vernichtung von Göttern und Menschen war ein neuer Anfang möglich.

Erst durch den Untergang konnte Neues geschaffen werden, wodurch sich wiederum Besseres ermöglichen ließ.